Stadt Willenberg   [Wielbark]

Weitere Informationen finden Sie in dem Buch "Willenberg   Die Geschichte einer ostpreußischen Grenzregion" von Olaf Göbeler


1361 bezeugt:   Willenberg, die Stadt am Omulef

Wiilenberg, zuerst auch Wildenberg genannt, ist urkundlich zum ersten Male 1361 bezeugt. Auf einer im Omuleffluß gelegenen Insel errichtete der Orden ein "Wildhaus", später eine Burg, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts Sitz eines Pflegers war. Das "Große Zinsbuch", S. 225, erwähnt 1415 Hans von Troningen als Pfleger. In dem Raum zwischen Omulef und Sawitzfluß, damals Schefke genannt, siedelten Beutner, die um 1400 eine Gemeinde bildeten. Eine im Neidenburger Hausbuch 1585/86 im Auszug überlieferte Handfeste verzeichnet die Rechte und Pflichten der 19 Beutner. Nach dem Wortlaut dieser Urkunde "soll jeder Bürger schuldig sein, alle Jahr 15 Beuten zu machen und diese vom Bienenjunker ankerben zu lassen. Den Wald- und Bienenhonig sollen sie einem Pfleger überantworten, der ihnen für eine Tonne 6½ Vierdung (= 1 Mark 15 Skot) geben soll". Außerdem enthält die Handfeste Bestimmungen über das Jagdrecht der Biener: "Die Biener mögen Schlingen legen auf Pferde, Elend und Hauer (Wildschweine), davon sollen sie dem Pfleger das Viertel geben, so soll der Pfleger ihnen geben für ein jeglich Viertel zwei Schilling. Sie sollen auch die Häute alle überantworten, so soll der Pfleger ihnen geben für eine Auerhaut für eine Mann-Schuhlänge vom Zagel anzuheben bis an den Hals je für einen Fuß 2 Skot, für eine Elendhaut 9 Skot, für eine Bärenhaut 10 Skot, für einen Marderbalg 8 Skot."

Dicht neben der Siedlung befand sich ein Eisenwerk, das das dort reichlich vorkommende Rasensteinerz verarbeitete.

Die Gemeinde nahm im 15. und 16. Jahrhundert eine günstige Entwicklung dank der vorteilhaften Lage an der alten Handelsstraße Königsberg-Warschau. Die wachsende Bedeutung der Siedlung für den Ordensstaat bezeugt die häufige Anwesenheit der Hochmeister und ihrer Statthalter in diesem Ort. So weilte Hochmeister Martin Truchseß 1484, Hochmeisterstatthalter Wilhelm von Eisenberg 1498 in Willenberg. Hennenberger nennt Willenberg um 1595 "einen feinen Ort, in dem der alte Fürste (Herzog Albrecht) eine Stadt hat anlegen wollen". In einer Verschreibung des Großen Kurfürsten 1643 wird Willenberg zwar als "Städtlein" bezeichnet. Die Stadtrechte erhielt Willenberg jedoch erst am 21. Juni 1723 durch König Friedrich Wilhelm I. 1747 wurde dieses Privileg durch Friedrich den Großen erneuert und erweitert. Die Stadt wurde "im Besitz der 50 Hufen bestätigt, den 28 Malzbrauern wurde die Braugerechtigkeit zugesichert". Willenberg durfte jährlich drei Jahrmärkte halten und ein Stadtsiegel (Preuß. Adler in Silber) führen.

Seit dieser Zeit begann für die Stadt eine Periode des Aufstiegs. Insbesondere entfaltete sich ein blühendes Tuchmachergewerbe, das durch die zollfreie Einfuhr der Wolle aus Polen sehr begünstigt wurde. Ganze Straßenzüge wie die frühere Ruda-, spätere Schleusenstraße, ein Teil der "Beutnervorstadt", später Hindenburgstraße, waren von Tuchmachern bewohnt. Die Tuchmacherinnung besaß eine eigene Walkmühle, das Handwerk entwickelte sich zur Großfabrikation. Erzeugnisse der Willenberger Tuchmacher wurden bis nach Warschau und Königsberg geliefert. Auch Tabakspinnereien entstanden, die ihre Erzeugnisse nach Polen verkauften.

Die Aufwärtsentwicklung der Stadt erfuhr im Unglücklichen Krieg 1806/07 einen entscheidenden Rückschlag. 70 000 Franzosen durchzogen die Stadt. Die Bevölkerung hatte große Mengen Getreide, Mehl, Heu und Schlachtvieh zur Verproviantierung der französischen Armee zu leisten. Nach Abzug der Franzosen war die Stadt ausgeplündert, die Bevölkerung verarmt. Erst 1832 hat die Stadt ihre Schuld begleichen können.

Die Willenberger Chronik berichtet in den folgenden Jahrzehnten von neuen Schicksalsschlägen. Die Jahre 1834 und 1838 brachten große Mißernten. 1852 wütete in der Stadt die asiatische Cholera. Am 24. August vernichtete ein Großfeuer die ganze Rudastraße. Die regelmäßig in jedem Jahre auftretenden Überschwemmungen bereiteten der Bevölkerung große Schwierigkeiten.

Um die Jahrhundertwende begann mit dem Anschluß Willenbergs an das Eisenbahnnetz der Provinz eine Zeit des Aufstiegs. Seit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Willenberg-Ortelsburg und Willenberg-Neidenburg nahmen Handel und Wandel einen erfreulichen Aufschwung. Die Aufwärtsentwicklung war von einem starken Anwachsen der Bevölkerung und einer bemerkenswerten Bautätigkeit begleitet.

1914 war Willenberg Brennpunkt der Schlacht von Tannenberg. Dreimal wurde die Stadt von Russen besetzt. In einem Gefecht in der nächsten Nähe von Willenberg wurden 16 000 Russen gefangen. Dicht bei der Försterei Carolinenhof an der Chaussee nach Neidenburg erschoß sich der Kommandeur der Narewarmee, General Samsonow, am 30. August. Auf Veranlassung des Ortelsburger Landrats von Poser wurde ihm über dem Grab ein Denkmal errichtet.

Der Ausgang des Ersten Weltkrieges brachte Willenberg wie den anderen masurischen Grenzstädten mit dem Fortfall des gewinnbringenden Grenzverkehrs schwere wirtschaftliche Nachteile. Ein geschichtlich bedeutsamer Tag war der 11. Juli 1920. Bei der Volksabstimmung wurden 1851 Stimmen für Deutschland, 24 für Polen abgegeben.

Ein erfreulicher Aufstieg ist seit der Lösung des Omulefproblems 1937 festzustellen. Das Meliorationswerk des Landrats von Poser wandelte umfangreiche, bisher versumpfte Flächen beiderseits des Omulef in beste Wiesen- und Ackerflächen um. Die durch die Meiiorationen bewirkte Aufwärtsentwicklung wurde in einem gesteigerten Umsatz der in der Stadt bestehenden Raiffeisen-An- und Verkaufsgenossenschaft sichtbar. Im Zeichen der günstigen Entwicklung stand auch der Ausbau der Salppschen Meierei. Der Milchanfall im Jahre 1944 betrug 6¼ Millionen Liter, die Tagesleistung in der Spitze 32 000 Liter. Die Vieh- und Pferdemärkte zählten zu den größten im Süden der Provinz. Auf manchen Märkten wurden bis zu 2000 Stück Vieh angetrieben. Die Händler kamen aus Berlin, Sachsen, Westfalen. Die drei Hotels (Romanowski, Karbaum, Krebs) waren überbelegt. 70 Ladengeschäfte fanden guten Absatz. An industriellen Unternehmungen befanden sich in der Stadt die Mühlenwerke von L. Henkel und Zysk, die Sägewerke von Henkel und Hipler und das Kalksandsteinwerk von Otto Hipler. Das Stadtbild erhielt durch zahlreiche Neubauten ein modernes Aussehen.

An der Ortelsburger Chaussee wurde mit Hilfe von staatlichen Geldern eine neue Schule errichtet und 1927 feierlich eingeweiht. Das moderne Schulgebäude hatte 11 Klassen, Aula, Lehrerzimmer, Zeichensaal, Räume für den Handfertigkeistunterricht, Bade- und Duschräume. Die nach Plänen der Schule Schinkels erbaute Kirche mit dem quadratischen Turm wurde am 23. September 1827 eingeweiht. 1914 wurde sie von den Russen als Speicher benutzt. Das Kirchenschiff und die Emporen wurden im Zuge des Wiederaufbaus restauriert.

Am 17. Mai 1939 zählte die Stadt, die Sitz eines Amtsgerichts, von Zoll-, Bahn- und Postbehörden war, 2600 Einwohner.

Max Meyhöfer   Ortelsburger Heimatbote 1967   S. 10-11


"Jahrmärkte werden zwei gahalten"   Willenberg zu Beginn des 18. Jahrhunderts

Über die Geschichte Willenbergs liegt ein Werk des Stadtsekretärs Emil Merks aus dem Jahre 1923 vor. Der Verfasser hat, wie er selbst sagt, "alle noch vorhandenen historischen Dokumente und Akten herangezogen", u. a. eine 1817 von dem damaligen Bürgermeister Heckert handschriftlich angelegte Stadtchronik benutzt und anläßlich der 200-Jahr-Feier der Stadtwerdung "Die Geschichte der Stadt Willenberg" veröffentlicht.

Bei meiner langjährigen Arbeit im Göttinger Archivlager, dem ehemaligen Königsberger Staatsarchiv, fand ich eine größere Anzahl von Urkunden, die die Arbeit Merks ergänzen.

Nachstehend behandle ich eine aus dem Jahre 1714 stammende "Beschreibung des Cammeramts Willenberg nebst der dazu gehörigen Tabelle bei der Generalabnahme denen dazu verordneten Herren Commissariis Übergreben (Etats-Ministerium 4a, 86, Blatt 7). Diese Urkunde behandelt die Verhältnisse Willenbergs vor der Stadtwerdung. Das sogenannte "Beutnerdorf", das bis 1745 dem Domänenamt Willenberg unterstand und erst zu diesem Zeitpunkt der Stadt Willenberg als "Warschauer Vorstadt" eingemeindet wurde, ist nicht berücksichtigt.

Die "Beschreibung" gibt 1714 einen Überblick über die Einwohner des "Fleckens": "Anzahl der Wirte: 16 Krüger, 10 Morgener (Ackerbürger), 12 Handwerker, 14 Büdner (Besitzer von Kramläden), ein Pfarrer, ein Schulmeister, ein Müller, ein Hofmann, ein Cämmerer, ein Wildnisbereiter, ein Krüger, dem "Flecken" gehörend, zwei Warthe".

An Ländereien werden aufgeführt: "22 Hufen und zwar das Vorwerk Willenberg (10 Hufen), zwei Pfarrhufen, zwei Hufen des Wildnisbereiters, vier Krughufen, vier Hufen Übermaß." Über das Vorwerk gibt die Übersicht folgende Auskunft: "Wintersaat 20 Scheffel, Sommersaat zur Zeit nicht, annoch viel zu roden, Beutner müssen zu diesem Vorwerk von ihren Wiesen 42 Fuder Heu liefern. Das Handscharwerk beim Vorwerk verrichtet die Dorfschaft Opalenietz (Flammberg). Gespanne stellen die Einwohner von Montwitz, Piwnitz (Albrechtsort) und Trzanken (Rohrdorf). Bei Erbauung neuer Gebäude scharwerken die Neidenburger Freyen, bei Flickbauten die Glaucher. Der wüste Hammer (Eisenwerk) zu Waldpusch wird vom Vorwerk genutzt." Alle Ländereien sind in Gemenglage und werden in Dreifelderwirtschaft bestellt. (Ein Drittel des Ackerlandes wird mit Sommergetreide, in Drittel mit Wintergetreide besät, das dritte liegt brach). Außer den erwähnten Ländereien nutzte der "Flecken" "einige Wiesen in der Wildnis, wässericht, davon etwa sechs Fuder",

Über Handel und Gewerbe in Willenberg finden sich in der Urkunde folgende Angaben: "Jahrmärkte werden zwei gehalten, nämlich im Frühjahr und Herbst, von welchen Stand-, Tor- und Brückengeld dem Kammeramt entrichtet werden. An Markttagen müssen die Inhaber von Ständen sechs Groschen für eine große Bude zahlen, sofern sie Einheimische sind. Auswärtige zahlen alle ohne Unterschied 12 Groschen. Tor- und Brückengeld wird von dem Vieh erhoben, das zu den Jahrmärkten aufgetrieben wird. Sie beträgt von jedem Pferd 1 Groschen, von jedem Schwein neun Pfennig."

16 Krüge
Die verhältnismäßig hohe Zahl von Krügen (16) erklärt sich daraus, daß Willenberg ein wichtiger Durchgangspunkt an der Handels- und Verkehrsstraße Königsberg-Warschau war. Die Krüger, die sich hier ansiedelten, dienten hauptsächlich dem bedeutenden Fremdenverkehr. Ein Krug, zu dem vier Hufen gehörten, befand sich im Besitz des Fleckens Willenberg. In ihm wurden jährlich etwa 100 Tonnen Bier, auch ebensoviel Stof Branntwein verschenkt, doch mußte das Bier in den zum Domänenamt gehörenden Gütern gebraut und der Branntwein daselbst gebrannt werden. "Im Krug", so heißt es, "könnte mehr ausgeschenket werden, wenn die Neidenburgischen Dörfer Wessolowen und Sendrowen dem öfteren Verbot zuwider, durch heimliches Brauen und Brennen nicht soviel Eintrag täten".

Zwei Mühlen
An industriellen Betrieben sind in der Übersicht zwei Mühlen verzeichne. "Die Mahl- und Schneidemühle", so heißt es, "mit zwei unterschlächtigen Gängen am Fluß Omulef, dessen Thamm (Damm) die Beutner in der Vorstadt, die Einwohner des Fleckens Willenberg und die Neidenburgischen Freien unterhalten müssen. Die Mühle hat an Wasser allezeit Überfluß. Den Flickbau (die Reparaturen) bei dieser Mühle unterhalten die Glaucher mit Handscharwerk, den Hauptbau verrichten die Neidenburger Freidörfer Braynicken, Witowen und Burdungen.

Der Müller zinset 100 Floren an Geld und drei Last acht Scheffel nach preußischem Maß. "Dabei und dafür", so heißt es weiter, "hat der Müller zugleich die Schneidemühle in Willenberg, nahebei in demselben Fluß, schneidet 15 Fichtenrahmen jährlich für das Amt, welche auf Anweisung des Wildnisbereiters angefahren werden müssen".

Fischereirecht
"Auf Anweisung der Herren Commissare besitzen die Willenberger das Fischereirecht im Kleinen Schobensee, in mehreren kleinen Seen, wie dem Laschnitza- und Galwitzasee, im Kutzburgischen Hammerteich und mehreren in den Schobensee mündenden Flüßchen. Außerdem haben sie das Recht, in einem Zufluß in den Schobensee einen Aalkasten zu halten. "Ehemals", so heißt es, "hatte der Aalkasten einen sehr reichen Fang, aber nach dem starken Winter und weil der Schiemansche Krug des verstorbenen Willenberger Wildnisbereiters das Recht, in solchem Fluß zu fischen, erhalten hat, schlecht profitabel ist".

Über die kirchlichen und schulischen Einrichtungen in Willenberg finden sich in der Übersicht folgende Angaben: "Der Kirche sind zugewidmet außer dem Flecken Willenberg die Dörfer Kutzburg, Waldpusch, Trzianken (Rohrdorf), Montwitz, Opalenietz (Flammberg), Piwnitz (Albrechtsort), Wessolowen (Fröhlichshof), Schiemanen, Sendrowen (Treudorf), Wolka (Georgsheide), Kiparren (Wacholderau), Leschienen, Groß und Klein Przellenk (Groß und Klein Dankheim), Baranowen (Neufließ). Der Pfarrer hat vier Hufen, sät darauf acht Scheffel Wintersaat. Salarium von der Kirche: 100 Floren, Calende von jedem Wirt: einen Scheffel Korn, einen Scheffel Grücken (Buchweizen), ein Fuder Holz. Die Pfarrgebäude, Widdem genannt, bestehend aus einem Wohnhaus, zwei Schuppen, einer Scheune, einem Pferdestall, einer Gärtnerschaluppe, einem Wagenschauer, muß das Kirchspiel in baulichem Zustand erhalten. Die Bearbeitung der vier Hufen ist den Gemeinden des Kirchspiels auferlegt".

Hospital
"Der Schulmeister hat 40 Floren Salarium von der Kirche, Calende von jedem Wirt einen halben Scheffel Korn, einen halben Scheffel Grücken, von jedem Dorf einen Fuder Holz."

"In der anderen Hälfte der Schule ist das Hospital mit drei Personen, wird bloß von der Mildtätigkeit des Kirchspiels unterhalten."

Soweit die im Etats-Minist. 4a, 86, Blatt 7 enthaltenen Angaben über die Verhältnisse des Fleckens Willenberg im Jahre 1714. Mit der Verleihung des Stadtrechts durch die Kabinettsordre Friedrich Wilhelms I. vom 21. Juli 1723 begann eine erfreuliche Aufwärtsentwicklung Willenbergs.

Max Meyhöfer   Ortelsburger Heimatbote 1970   S. 3-4