Schwentainen ist als Schatulldorf gegründet*). Das Gründungsprivileg ist am 15. Mai 1686 für den Dorfschulzen Kaspar Bieber ausgestellt. Das Dorfareal umfaßte damals 30 kulmische H, von denen drei H dem Schulzen zinsfrei überlassen waren. Die kleine Gerichtsbarkeit und freie Fischerei mit einer Kleppe im Schwentainer See waren weitere Vorrechte des Dorfschulzen. Zwei Jahre später (am 10. März 1688) wurde die Dorfgemarkung um weitere 22 H vergrößert. Die Zahl der Schatullkölmer betrug zu diesem Zeitpunkt neun. Über die Wirtschaftsform und die Erträge der Bauernhöfe gibt die Friedrichsfelder Prästationstabelle 1735 Auskunft: "Das Dorfareal ist in drei große Pläne geteilt, die in dreijährigem Umlauf als Sommerfeld, Winterfeld und Brache genutzt werden." Das Ackerland gewährt nach der Friedrichsfelder Prästationstabelle 1781 "kaum so viel Ertrag als der wirtschaftliche Bedarf erfordert. Kartoffeln sind daher die Hauptnahrung der hiesigen Einsassen. Gemüse gerät nur hin und wieder und wird daher nur wenig angebaut. Die Dorfschaft besitzt einen Wald von sechs H zwei M, der nur wenig Bauholz enthält. Die Dorfinsassen können kaum den Feuerungsbedarf decken. Der Heuertrag (ein zweispänniges Fuder je Hufe) ist nicht hinreichend; der Bedarf muß durch Kauf in Polen gedeckt werden. Die Vermögensumstände sind daher schlecht, es würde sich vieles bessern, wenn die Bauern die in Arrende habenden Scheffelplätze erblich erhalten würden." Der Bitte um Weideland wurde 1786 weitgehend entsprochen. Bei der Separation der Korpeller Forst erhielten die Schwentainer 26 H Oletzk. Als "gemeinsam zu nutzende Ländereien" wurden ihnen 7 H 13 M Oletzk., die sogenannten "Czyssovabrüche", zugewiesen. Als "Nutznießer kleinerer Gebiete" werden in der Friedrichsfelder Prästationstabelle 1840 folgende Bauern genannt: Woitek Jentoch, Mathes Dybowski, Woitek Kurella, Jakob Bednarz, Christoph Kyzinna, Bartek Jakubzik, Mathes Kostzewa, Georg Jentoch, Jakob Kuschmierski, Jakob Wissomierski und Martin Schwittay. Eine Entwicklung zum Besseren in den landwirtschaftlichen Betrieben läßt sich an der Vermehrung der Viehzahl erkennen. 1798 hat sich die Viehzahl gegenüber 1786 verdoppelt. Eine Steigerung der Ertragsfähigkeit des Ackerlandes läßt sich jedoch in den Bereisungsprotokollen der Friedrichsfelder Prästationstabellen 1786 ebensowenig feststellen, wie eine Änderung der Betriebsweise. Solange die Fesseln der alten Flurverfassung nicht gesprengt waren, konnten die bäuerlichen Betriebe nicht in die Höhe kommen. Die Voraussetzungen für die Überleitung von der kollektiven zur individuellen Wirtschaftsführung wurden durch die Stein-Hardenbergschen Reformgesetze geschaffen. Die Wirkung dieser Gesetze zeigte sich in folgendem: Die Privatisierung des Bodenrechts führte zu einer weitreichenden Teilung und Zerstückelung der landwirtschaftlichen Betriebe. Bei diesen sogenannten "Dismembrierungen" entstanden viele Besitzungen, die nur wenig mehr als 30 M umfaßten. Eine weitere Folge der Separation war die Erweiterung der Anbauflächen. Alle irgendwie zum Feld- und Wiesenbau geeigneten Plätze wurden in Kultur genommen. Umfangreiche Ödlandflächen in den Außenschlägen der Dorfgemarkung wurden erschlossen. 1826 (24. März) entstand das Erbpachtsetablissement Schönwaldau. 1856 (25. September) wurde das Abbaugut Bieberthal gegründet. Eine Änderung der Wirtschaftsweise trat zunächst nicht ein. Wohl gab es um 1830 einige fortgeschrittene Gutsbesitzer, die zu einer Mehrfelderwirtschaft mit mehr oder minder ausgedehntem Klee- und Kartoffelbau übergegangen waren. In den Bauernhöfen blieb bis etwa 1885 die Dreifelderwirtschaft das beherrschende Betriebssystem. Zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mehrten sich die Anzeichen für das Anlaufen einer Entwicklungsperiode, in der sich die Bauernwirtschaften in zunehmendem Maße darum bemühten, die Agrarproduktion durch Intensivierung der Wirtschaftsmethoden zu steigern. Die Voraussetzung für diese Entwicklung war die Lösung des Kreditproblems durch den Ausbau des Vereins- und Genossenschaftswesens im Geiste Raiffeisens. 1895 wurde in Schwentainen eine Spar- und Darlehnskasse gegründet. Einen neuen Antrieb erhielt die Aufwärtsentwicklung der Landgemeinde durch den Anschluß an die Bahnlinie Ortelsburg-Johannisburg. Günstig wirkte sich auch die Tatsache aus, daß Schwentainen Zentrum einer Kirchengemeinde wurde. Es ist eine auch in anderen Dörfern festzustellende Tatsache, daß zwischen einem Bauerndorf, das sein Gepräge fast ausschließlich durch die landwirtschaftliche Produktion erhält, und dem Kirchdorf, dessen Charakter stark durch die Anhäufung von Gewerbebetrieben, Handel- und Verwaltungsstellen bestimmt wird, ein grundlegender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Unterschied besteht. Die Zahl der Ladengeschäfte und Handwerksbetriebe zeigte einen erfreulichen Anstieg. Es gab 1912 in Schwentainen 29 Ladengeschäfte und 19 handwerkliche Betriebe. Entsprechend dieser inneren Wandlung hat auch der Grundriß des Kirchdorfs beträchtliche Veränderungen erfahren. Die Aufwärtsentwicklung des Kirchdorfes wurde durch den Ersten Weltkrieg jäh unterbrochen. Altkirchen wurde fast völlig zerstört. 140 Wohn- und 209 Wirtschaftsgebäude wurden ein Raub der Flammen. Für die zerstörte Ortschaft bildete sich ein Kriegshilfsverein "Deutschwehr" in Berlin-Friedenau, der eine rührige Hilfstätigkeit für Altkirchen entwickelte. Ende der 20er Jahre war der Wiederaufbau beendet. Der Ort erhielt eine neue schöne Kirche. Auch die 1914 zerstörte Schule wurde modernen Bedürfnissen entsprechend aufgebaut.
Nach Beendigung des Wiederaufbaus nahm die wirtschaftliche Entwicklung im Dorf erneut einen günstigen Verlauf. Fritz Kompa errichtete ein modernes Sägewerk, R. Kompa eine Getreidemühle. Besondere Erwähnung verdient die Tatsache, daß die Melioration in der Dorfgemarkung durch vorbildliche Gemeinschaftsarbeit gefördert wurde. An ihr waren Bauern, Beamte, Kaufleute von Altkirchen beteiligt. Auf dem neu erschlossenen Gebiet legten Bauern ihre Höfe an. Unter den 186 landwirtschaftlichen Betrieben (73: 0,5-5 ha, 42: 5-10 ha, 46: 10-20 ha, 24: 20-100 ha, 1: über 100 ha) befanden sich 98 Ausbauhöfe.
Ein schweres Los wurde Altkirchen 1945 zuteil. Nach einem Bericht von Johannes Pischon wurden beim Einmarsch der Russen ermordet: Gustav Potzesny, Erika Potzesny, Eva Marrek, Rudolf Kompa, Fritz Pokraka, Erwin Rohmann, Marie Bloch, Wilhelm Ruttkowski, Martha Orzessek, Marie Rzadkowski, Friedrich Gusek, Johann Killisch, Frau Killisch. Zehn Einwohner wurden verschleppt. Auf der Flucht kamen sieben Personen ums Leben. 33 Einwohner sind als Angehörige der Wehrmacht gefallen. 11 Soldaten werden vermißt.
*) Siedlungen dieser Art sind Gründungen auf Forstboden, dessen Verwaltung der landesherrlichen Forstbehörde oblag. Ihren Namen führten sie nach der fürstlichen Privatkasse, der Schatulle, in die die Siedler Ihren Grundzins zu entrichten hatten.
Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg
Ausbauhöfe:
1. Emma Kompa (Sägewerk, Mahlmühle)
2. Friedrich Baranowski
3. Wilhelm Heina
4. Gustav Rudnik
5. Karoline Katzinski
6. Gustav Wodzich
7. Emil Todzi
8. Johann Worf I (Schmiede)
9. Otto Kurz
10. Johann Wnendt
11. Gustav Bendisch
12. Gottlieb Puzicha
13. Julius Bublitz
14. Johann Gallmeister
15. Martha Sussek
16. Karl Heybowitz
17. Johann Ulma (Kiesgrube)
18. Fritz Worff
19. Otto Orzessek
20. Wilhelm Ziwitza
21. Johann Schwittay
22. Karl Jeworutzki
23. Heinrich Marek
24. Wilhelm Pilath
25. Adolf Lorra
26. Wilhelm Przygodda
27. Adolf Kuschmirz
28. Otto Bechtel
29. Gustav Jegodtka
30. August Pokropp
31. August Pokropp
32. Rudolf Jelinski
33. Otto Jegodtka
34. Johann Sadlowski I
35. Gottlieb Bednarz
36. Friedrich Pszolla
37. Fritz Bednarz
38. Emil Burbulla
39. Gustav Gadomski
40. Gustav Bloch
41. Wilhelm Ladda
42. Johann Fiedrich I
43. August Glaß
44. Forst-Fiskus
45. Karl Giesa
46. Karl Eggert
47. Charlotte Olschewski
48. Wilhelm Kizinna III
49. Gustav Potzesny
50. Karl Potzesny
51. Walter Schwan
52. Karl Patz
53. Marie Kolodzeyzik
54. Emil Platzek
55. Ernst Platzek
56. Johann Spanka
57. Fritz Waldhauer
58. August Brattka
59. Friedrich Gusek
60. Johann Laskowski
61. August Stramke
62. Otto Specka
63. Johann Sadlowski II
64. Wilhelmine Pokorra
65. Ottilie Kerstan
66. Wilhelm Preuß
67. Gustav Garstka
68. Friedrich Kizinna I
69. Johann Hallay
70. Samuel Klossek
71. Emil Patz
72. Karl Bednarz
73. Albert Hoffmann
74. Gottlieb Rattay
75. Johann Kalina
76. Wilhelm Schiwy
77. Rudolf Maslo
78. Karl Simannek
79. Friedrich Maletz jun.
80. Gottlieb Kokernak
81. Paul Kattanek (Miethaus)
82. Leopold Reich
83. Gemeinde-Armenhaus
84. Rudolf Maslo (Miethaus)
85. Gustav Müller
86. Karl Mankhof
87. Gustav Frassa
88. Frieda Kaczenski
89. Adolf Grabosch
90. Forst-Fiskus (Georg Mix)
91. Forstamt
92. Forstamt (Kutschergehöft)
93. Forst-Fiskus (Otto Pischon)
94. Friedrich Kolodzey
95. Johann Kopka
96. Karoline Patscha
97. Luise Kucklinski
98. Paul Gayk
99. Gottlieb Sadlowski
100. Bahnhof
Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg