Landgemeinde Lehmanen   [Lemany]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Die Gründungsurkunde ist nicht mehr vorhanden. Saborowski, a. a. O., S. 109, verlegt die Gründung ohne Angabe der Quelle in das Jahr 1408. Die erste urkundliche Nachricht findet sich im Elbinger Zinsregister 1427, in dem ein Ort Lemes verzeichnet ist. Das älteste Dorfprivileg stammt aus dem Jahre 1496 (Ordens-Fol. 262, S. 74). Hochmeister Hans von Tieffen verlieh am Sonntag Viti et Modesti dieses Jahres dem Dorfschulzen Peter Obestroy zwei H zu kölmischem Recht mit dem Privileg der Ausübung der kleinen Gerichtsbarkeit und der Fischerei im See Seelonken. Es handelt sich bei dieser Urkunde um die Erneuerung "der im Kriege verlorenen Handfeste" über das Schulzenamt zu "Lemes". In der Urkunde werden sechs Bauern erwähnt, die im Vorwerk Ortelsburg Hand- und Spanndienste leisteten. Die Dorfgemarkung umfaßte 25 H. Über die Entwicklung des Dorfes im 16. Jahrhundert schweigen die Quellen. Eine Vermehrung der Hufenzahl ist bis Ende des 18. Jahrhunderts in den Ortelsburger Amtsrechnungen nicht festzustellen. Die Ländereien der Gemarkung wurden nur teilweise bewirtschaftet. Die Ortelsburger Amtsrechnung 1723 verzeichnet 19 "alt besetzte" und sechs "wüste" H. Die Vermögensumstände der Dorfbewohner werden als "schlecht" bezeichnet. Eine gewisse Aufwärtsentwicklung läßt sich im friderizianischen Zeitalter feststellen. In den Jahren 1741-43 wurden die sechs wüsten Hufen an vier Assekuranten (Michael Peikowski, Andres Brzezinski, Georg Grabowski und George Kockernack) ausgetan. Die Bereisungsprotokolle der Ortelsburger Prästationstabelle des Jahres 1785 entwerfen allerdings kein günstiges Bild von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Dorfes. "Die Bauern leben", so heißt es in dieser Urkunde, "von Ackerbau, Viehzucht und Spinnerei. Weil der Flachs kein Jahr gerät, müssen sie ankaufen. Der Heuertrag reicht nicht aus. Die Vermögensumstände sind trostlos". - Das Amt Ortelsburg versuchte in den nächsten Jahren, die wirtschaftliche Lage der Dorfbewohner zu bessern. 1787 wurde den Lehmaner Wirten "das jährlich zu leistende Achtelholzfahren für das Amt Ortelsburg erlassen". Im gleichen Jahre suchte man den Weide- und Wiesenmangel durch Abtretung von Scheffelplätzen (483 M 166 R) gelegentlich der Korpeller Forstseparation zu beseitigen. 1789 (24. Februar) fiel mit der Vererbpachtung des Vorwerks der Scharwerksdienst für sieben Bauern fort. Sie wurden zu erhöhten Steuerabgaben herangezogen.

Im Gange der Reformmaßnahmen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Bauernhöfe an. Bauer Stephan "baute sich aus". 1939 gab es in Lehmanen 19 Bauernhöfe: 4: 0,5-5 ha, 3: 5-10 ha, 12: 10-100 ha. Zu den meisten Hofstellen gehörte ein beachtliches Waldstück. So besaß Friedrich Brzezinski 25 ha bei der Försterei Wickno. 1934 verpachteten einige Bauern (Wilhelm Witkowski, Friedrich Chittka, Wilhelm Sadowski) Ackerland (etwa 120 ha) als Ausbildungsgelände für die Ortelsburger Jäger an den Fiskus.

Im Bereiche der Dorfgemarkung lag der große Sylvensee. Die Bauern hatten auf ihm seit alters her das Fischereirecht. In den letzten Jahren vor der Vertreibung ließen sie den See durch die Gebrüder Glitza abfischen. Im Frühjahr wuschen die Bauern hier vor der Schur die lange Wolle der Schafe, im Herbst wässerten sie im See den Flachs vor dem Brechen.

Das Gewerbe war im Ort wegen der Nähe der Kreisstadt wenig entwickelt. Es gab nur einen einzigen Handwerker, den Schmiedemeister Gustav Malinowski. Am Dorfausgang nach Ulrichsee hin befand sich bis etwa 1910 eine Windmühle, die dem Bauern Chittka gehörte. 1930 wurde im Ort eine Posthilfsstelle eingerichtet, die von Frau Dibowski verwaltet wurde. Die Volksschule war eine Gründung des Königs Friedrich Wilhelms I. 1937 entstand ein moderner Neubau. Unter den letzten Lehrern seien Emil Sadowski, Nadolny und Karl Griggo erwähnt.

Über das Schicksal der Landgemeinde am Ende des Zweiten Weltkrieges berichtet Karl Griggo: Die meisten Lehmaner entschlossen sich erst sehr spät (am 20. Januar) zur Flucht. Sie kamen nur bis in die Nähe von Rössel, stießen dort auf die Russen und mußten nach Lehmanen zurückkehren. Die eindringenden Russen hausten furchtbar im Dorf. Folgende Einwohner wurden erschossen oder qualvoll umgebracht: Friedrich Brzezinski, Christian Brzezinski, Wilhelm Gwiasda, Karl Chittka, Michael Schulz, Frau Wilhelmine Gottschalk, Frau Marie Makowka, Frau Auguste Puzicha. Auf der Flucht wurden bei Rössel folgende Lehmaner ergriffen und von den Russen erschossen: Albert Stephan, Erich Malinowski, Frau Minna Ott. 15 Einwohner fielen als Wehrmachtangehörige. Drei Soldaten werden vermißt.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. Gottlieb Stephan

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg