Landgemeinde Friedrichshof   [Rozogi]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Friedrichowen, das spätere Friedrichshof, ist eine Gründung des Großen Kurfürsten. Nach dem Wortlaut der am 23. Februar 1645 ausgestellten Handfeste "wurden dem lieben und getreuen Jakob Bieber sechs kölmische freie Huben zugesprochen" (Friedrichsfelder Grundbuch 15533). Die Bauern sollten von jeglicher Hufe ab 1649 acht Mark an Geld, einen Scheffel Roggen, einen Scheffel Gerste, einen Scheffel Hafer zinsen. 1659 erhielt Karl Groß die Kruggerechtigkeit. 1677 (5. Februar) wurde die Dorfgemarkung um vier kölmische Hufen erweitert. In der Friedrichsfelder Amtsrechnung 1698 werden 34 Bauern erwähnt. Die günstige Entwicklung des Dorfes kam 1711 durch die Pest, der viele Einwohner zum Opfer fielen, zum Stillstand. Noch 1732 sind die Auswirkungen dieses Unglücks zu spüren. In diesem Jahre werden in der Friedrichsfelder Amtsrechnung nur 22 Eigentümer verzeichnet. 1773 wird die Dorfgemarkung neu vermessen. In einer im Göttinger Archivlager vorhandenen Vermessungskarte von Kondukteur Daniel Johann wird sie auf 77 H 14 M 80 R kulm. angegeben. Davon waren an reinem Acker 39 H 16 M 290 R, an Wiesen 6 H 16 M 246 R, an Palven und Weideland 5 H 24 M 149 R vorhanden. Nach einer Notiz der Prästationstabelle 1774 wirtschafteten in Friedrichshof 43 "Erbfreibauern", unter ihnen Pienkoß, Klick, Olbrisch, Arwinski, Bembennek, Baumgart, Schwenty, Kruppa, Borchert, Mosdzin. In den Bereisungsprotokollen der Friedrichsfelder Prästationstabelle 1781 werden "die Nahrungs- und wirtschaftlichen Zustände" der Friedrichshöfer Bauern als "schlecht" hingestellt. "Der größte Teil", so heißt es hier, "der Bauern ist arm. Der Ackerbau gewährt kaum so viel Ertrag, als Nahrung zum wirtschaftlichen Bedarf erforderlich ist. Die Abgaben werden nur aus Jungvieh und dem Leinwandverkauf erschwungen." 1787 (22. August) wird die Dorfgemarkung durch 15 H 4 M 114 R "Scheffelplätze und Waldwiesen" vergrößert. Zwei Jahre später wird Friedrichshof durch königliches Reskript (22. Oktober) "zum Marktflecken" erhoben. Die günstige Entwicklung des Grenzhandels mit Polen hatte die Voraussetzung zu dieser Privilegierung geschaffen. Fortschritte in der wirtschaftlichen Entwicklung lassen sich auch im Zeitalter der Reformen feststellen. Die Separation in der Friedrichshöfer Gemarkung erfolgte in zwei Etappen: 1848 und 1878. Sie führte zu folgenden Ergebnissen: 1. Wie in anderen Dörfern wurden die Außenschläge der Gemarkung in intensive Kultur genommen. In diesen Gebieten hielten sich die alten Flurbezeichnungen bis in die neueste Zeit: Die "Kunten" (d. h. an den Ecken) an der Straße nach Groß Spalienen, "Malski": die Weiden und Wiesen in der Nähe des Hohenzollernplatzes, "Usranki": die Gegend des Hofes Ollesch nach Spalienen hin, "Kabati": die Bruchländereien in Richtung Lilienfelde (Zawoyken), die später entwässert wurden, "Rudzisken": ein Teil der Forst im Anschluß an die Löbenschen Morgen (zwei Kilometer nordöstlich von Friedrichshof), wo eine Waldarbeitersiedlung entstand. Unter den 72 Abbauhöfen befand sich das Gut Adolfsfelde, am 11. Oktober 1849 gegründet.

2. Im Laufe der Gemeindeauseinandersetzung ist ein neuer Ortsteil östlich der Rosogga entstanden, der den Namen "Hinter dem Fluß" führte. Beide Ortsteile (das Hauptdorf, zu beiden Seiten der Hauptstraße und des großen Marktplatzes, und das neue Dorf wurden durch zwei Holzbrücken verbunden, wovon die eine, die sogenannte "Große Brücke" 1902 massiv gebaut wurde, die andere, die "Kleine Brücke", dem Fußgängerverkehr diente.

3. Eine Folge der Separation war die Steigerung der Besitzerzahl. 1869 verzeichnete die Einwohnerliste 56 Schatullkölmer (auf 265 H 3 M 38 R preuß.) und 45 Eigenkätner, die sich auf 436 M 14 R preuß. Forstlandes angesiedelt hatten.

4. Große Vorteile brachte dem Dorfe zu Beginn des 20. Jahrhunderts der "kleine Grenzverkehr" mit Polen. Über ihn berichtet der damalige Gemeindevorsteher Gottlieb Odlozienski: "Zwischen Polen und Preußen bestand ein sehr altes Abkommen, das den freien Einkauf von Geflügel, Eiern, Butter, Getreide, Heu sowie Holz in Polen vorsah. In dem Holzhaus von Glinka, das damals Michael Rhode gehörte, befand sich das erste Zollamt von Friedrichshof. An jedem Freitag wurden hier Pferde und Schweine vom Kreistierarzt untersucht. Die Händler führten die Pferde in einer dichten Reihe vor, die vom Zollhaus bis zur Ehlandtschen Scheune etwa 200 Meter lang war. Täglich warteten zahlreiche Fuhrwerke auf Abfertigung durch den Zoll, darüber hinaus mußten hier auch Fleischwaren und andere Lebensmittel untersucht werden. Im September begann die Zeit des Gänsehandels. Die Gänse wurden zu Tausenden meist von polnischen Juden durch Friedrichshof getrieben. Die Dorfstraße war oft ein Meer schnatternder Gänse. - Dieser Grenzverkehr fand nach dem Ersten Weltkrieg eine jähe Unterbrechung. Durch die geschlossene polnische Grenze war der bisher konzessionierte Handel lahmgelegt."

Der Krieg brachte Friedrichshof noch andere Nachteile. Drei Tage und drei Nächte zogen die russischen Soldaten durch den Ort, raubend und plündernd. 56 Wohngebäude, 158 Wirtschaftsgebäude wurden z. T. zerstört, z. T. erheblich beschädigt. Der Wiederaufbau wurde noch während des Krieges durchgeführt. Auch das Wirtschaftsleben begann sich zu erholen.

Die landwirtschaftlichen Betriebe (77: 0,5-5 ha, 44: 5-10 ha, 24: 10-20 ha, 37: 20-100 ha, 1: über 100 ha) erlebten besonders seit der 1927 abgeschlossenen Melioration des Rosoggaflusses einen bemerkenswerten Aufstieg.

Die Aufwärtsentwicklung erfaßte auch die industrielle und gewerbliche Wirtschaft. Unter den Industriewerken seien erwähnt: Die Sägewerke von Ernst Fechner (Produktionsmenge: 12 000-15 000 Festmeter) und Krüger (2800 Festmeter), die Mühlenwerke von Gottlieb Odlozienski (1928 durch ein Sägewerk erweitert) und Johann Krüger, die Ziegeleien von Joseph Olschinski und Otto Konopatzki, die Molkerei von Rudolf Helmke.

Die Zahl der Handwerksbetriebe und Geschäfte nahm ebenfalls zu. 1939 gab es in Friedrichshof 50 Handwerksbetriebe und 13 Ladengeschäfte. Die Ortschronik von Gottlieb Odlozienski und Erika Bucholski erwähnt u. a. folgende Betriebe: Vier Bauunternehmen (Ernst Breyer, 400 Arbeiter, Johann Schwenty, Karl Jordan und Julius Nowotzin), drei Schmiedebetriebe (August Olschinski, Emil Schacht und Gustav Bieber), mehrere Fleischereien (u. a. Heinrich Ostrowski), mehrere Bäckereien (u. a. Nowozin). Von den Gaststätten und Geschäften sind zu erwähnen: Das Kolonialwarengeschäft von Gustav Konopatzki, das Schankgeschäft von Pilsky, die Gastwirtsdraft Pawelzik, das Schankgeschäft von Kempka, das Elektrogeschäft von Walter Neumann, das Geflügelversandgeschäft von Paul Lettau, die Manufakturwarengeschäfte von Hugo Nowozin und Daniel, das Getreide- und Futtermittelgeschäft von Otto Jablonski, die Gärtnereien von Albert Bolz und Rudolf Hellwig. An Geldinstituten waren vorhanden: die um 1900 gegründete Raiffeisenkasse, die 1930 gegründete Nebenstelle der Kreissparkasse Ortelsburg und die Zweigstelle der Kreditbank Ortelsburg.

Die Aufwärtsentwicklung ergriff auch das Vereinswesen. Die Ortschronik von Odlozienski und Bucholski verzeichnet folgende Vereine: Den Kriegerverein, die Freiwillige Feuerwehr, den Handwerkerverein, den Kaufmännischen Verein, den Schützenverein, den Männergesangverein, den Fußballverein, den Vaterländischen Frauenverein und die Freie Fleischerinnung.

Die ärztliche Betreuung: Vor der Vertreibung vorübergehend: Dr. Ernst und Dr. Kurt Knabe, bei der Vertreibung praktizierte Dr. Einwald. Zahnärzte: Dr. Radünz und Gerhard Szilasko. Letzter Tierarzt: Dr. Biesterfeld. Privilegierte Apotheke : Ludwig Köbrich.

Kirchliche Verhältnisse: Das erste evangelische Gotteshaus, 1665 erbaut, brannte 1700 ab. Am 15. Dezember 1885 wurde die neue Kirche eingeweiht. Letzter Pfarrer Bellmann.

Schulische Verhältnisse: 1830 erhielt Friedrichshof ein Lehrerseminar und eine Präparandenanstalt. 1894 wurde das Lehrerseminar nach Ortelsburg, 1898 die Präparandenanstalt nach Mohrungen verlegt. Die Volksschule ist während der Regierung des Königs Friedrich Wilhelm I. gegründet. Sie erhielt ein modernen Ansprüchen genügendes neues Gebäude im Jahre 1898. In ihm wurden sechs Klassen unterrichtet (letzter Rektor: Rudolf Spriewald).

Über das Schicksal der Landgemeinde am Ende des Zweiten Weltkrieges entnehmen wir Berichten von Wilhelm Dorsch und Marie Bucholski folgende Angaben: Beim Einmarsch der Russen im Januar 1945 wurden ermordet: Witwe Bialluch, Frau Emilie Bellmann, Max Syska, Ehefrau Weigel, Frau Marie Bloch, Johann Sawitzki, Minna Rohde, Familie Powirski (drei Personen), Familie Pillath (drei Personen), Hugo und Henriette Groß, Eheleute Wilhelm Poreda. Hermann Hasselberg wurde von Polen ermordet.

Verschleppt wurden sechs Personen. Auf der Flucht kamen 19 Friedrichshöfer ums Leben. 58 Einwohner sind als Angehörige der Wehrmacht gefallen. Acht Soldaten werden vermißt.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. August Rohde   2. Adolf Jedamzik   3. Adolf Sadowski   4. Arnold Plewka   5. Emil Blaurock   6. Friedrich Schiwy   7. Johann Ollesch   8. August Treziak   9. Friedrich Kopatz   10. Hugo von Groß   11. Gustav Rohde   12. Johann Baumann   13. Johann Linka   14. Wilhelm Dorsch   15. Paul Mosdzien   16. Johann Pasuch   17. Johann Bublitz   18. Marie Borrek   19. Adam Kompa   20. Karl Salewski   21. Martin Olbrisch   22. Wilhelm Malkus   23. Franziska Olbrisch   24. Gustav Bloch   25. Paul Kopkow   26. Ludwig Glinka   27. Friedrich Kostrzewa   28. Friedrich Schulz I   29. Wilhelm Pawelzik   30. Friedrich Baumgardt   31. Gottlieb Czicholl   32. Wilhelm Pillath   33. Wilhelm Poreda   34. Paul Gordat   35. Paul Pasfeld   36. Fritz Czymmek   37. Michael Bialluch   38. Otto Gurba   39. Wilhelm Glinka   40. Friedrich Reich   41. Gustav Somplatzki   42. Gustav Olschewski   43. Johann Adamy   44. Michael Schulz   45. Gustav Zerwinski   46. Fritz Schulz II   47. Gustav Kipar   48. Johann Dopatka   49. Wlilhelm Sontowski   Die Besitzungen 48 und 49 liegen in der Gemarkung Wilhelmshof.

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg