Landgemeinde Gellen (Jellinowen)   [Jeleniowo]

Aus Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Die Gründung von Jellinowen erfolgte im Zuge der Erschließung des östlich des Großen Babantsees gelegenen stark kupierten Geländes. Nach der im Ortelsburger Grundbuch 15580 überlieferten Handfeste vom 10. Februar 1579 erhielt der erste Dorfschulze Jakob Gelentzig sechs freie Hufen zum Schulzenamt, und 60 H kulm. "an Äckern, Wiesen, Weiden, Wäldern, Püschern" wurden an acht Bauern zu kulmischem Recht verliehen. Die Wirte hatten von jeder Hufe eine Mark, einen Scheffel Weizen, einen Scheffel Hafer und zwei Hühner am Martinstage an das Haus Ortelsburg abzuführen. Über die Entwicklung des Dorfes im 16. Jahrhundert sind in den Quellen nur dürftige Angaben vorhanden. In der Ortelsburger Amtsrechnung 1600 findet sich die Notiz, daß von den 60 H nur 12 besetzt sind. 30 Jahre später wurde bei einer Vermessung ein Übermaß von 18 H festgestellt, von denen acht H dem Pfarrer Petrus Gusowy aus Aweyden erbverschrieben wurden. Aus diesen Ländereien entstand später das Gut Klein Lontzig. 1713 (Ortelsburger Amtsrechnung) umfaßte die Dorfgemarkung 99 H 24 M 245 R, wovon 47 H 15 M als Säland, 41 H 3 M 52 R als "Wald und Strauch" bezeichnet sind. Das als Säland bezeichnete Gelände wurde in Dreifelderwirtschaft genutzt. Die vermögensverhältnisse der Bauern werden als "schlecht" beurteilt. Der Acker lieferte nur das zweite Korn. Erst im Zeitalter Friedrichs des Großen läßt sich ein wirtschaftlicher Aufstieg feststellen. Alle "wüsten Huben" wurden an Assekuranten erbverschrieben. Nach dem Ortelsburger Grundbuch 15580 waren in der Zeit 1744-1753 17 Bauernhöfe entstanden. Auf ihnen wirtschafteten die Erbfreien: Johann Worff, Jan und Michael Faber, Michael, Martin und Jakob Kemka, Adam und Jan Brzezinski, Marin Lissek, Johann und Gromek Mroß, Christian Lucas, Mathes Modzelewski, Martin Olias, Jan und Andres Rogowski und Adam Soltek. In den Bereisungsprotokollen der Ortelsburger Prästationstabelle 1787 werden die Vermögensverhältnisse der Einwohner als "mittelmäßig" bezeichnet. Zahlreiche Dismembrationen (Besitzteilungen) führten zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem Ansteigen der Besitzerzahl. Nach dem Separationsrezeß vom 12. Februar 1840 (Ortelsburger Prästationstabelle) wirtschafteten auf der 5062 M 31 R preuß. großen Dorfgemarkung: fünf Kölmer, 17 Assekuranten, sieben Hochzinser, drei Erbpächter, drei Eigenkätner. 1857 erwarb die Dorfschatt 147 M 27 R Forstland. Wesentliche Fortschritte in der landwirtschaftlichen Nutzung lassen sich erst seit den 20er Jahren feststellen. Es gab 1939 in Gellen 60 landwirtschaftliche Betriebe: 2: 0,5 bis 5 ha, 13: 5-10 ha, 16: 10-20 ha, 18: 20-100 ha, 1: über 100 ha. Unter ihnen waren 24 Ausbauhöfe. Zu der Aufwärtsentwicklung der Landgemeinde trug die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse (Ausbau der Straßen Gellen-Rheinswein 1924, Gellen-Hirschthal (Zimnawodda) - Seenwalde -Piassutten 1938) wesentlich bei. Nach der Elektrifizierung des Dorfes machte sich auch im gewerblichen Leben ein Aufstieg bemerkbar. 1935 waren in Gellen vorhanden: Zwei Gasthäuser, drei Kolonialwarenläden und Handwerksbetriebe, eine Schmiede, eine Stellmacherei, eine Tischlerei, eine Fleischerei, ein Herrenschneider, ein Damenschneider, ein Schuhmachermeister, ein Seidenraupenzüchter und ein Fischer. Die während der Regierung Friedrich Wilhelms I. gegründete Schule war zunächst in Privathäusern untergebracht. 1831 erhielt sie ein eigenes Gebäude. 1910 brannte das Schulhaus ab und wurde im gleichen Jahre neu errichtet. Seit 1895 hatte die Schule zwei Klassen (letzter Lehrer: Arthur Schönrock). 1936 wurde ein Kindergarten (Leiterin: Fräulein Kalikowski) eingerichtet. In der Landgemeinde befanden sich folgende Vereine: Freiwillige Feuerwehr, Sportverein 1924, Vaterländischer Frauenverein, Kriegerverein.

Beliebte Ausflugsziele in der Nähe von Gellen waren Klein Lontzig und die Babantmühle.

Über das Schicksal der Landgemeinde am Ende des Zweiten Weltkrieges entnehmen wir einem Bericht von Walter Lissek folgende Angaben: Beim Einmarsch der Russen im Januar 1945 wurden ermordet: Gustav Rattay und Jakob Wenda. Zehn Einwohner wurden verschleppt. Sie sind nicht zurückgekehrt. Drei Personen kamen auf der Flucht ums Leben. 42 Einwohner sind als Wehrmachtangehörige gefallen.

Max Meyhöfer in "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1984 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg



Ausbauhöfe:   1. Johann Dutz   2. Friedrich Dutz   3. Adam Masuch (1931 nach Erben umgesiedelt)   4. Heinrich Maletzki (1931 nach Erben umgesiedelt)   5. Paul Lukas   6. Michael Masuch   7. Lotte Bertsch   8. Michael Rattay III   9. Friedrich Guth   10. Gottlieb Moselewski   11. Michael Guth (Klein Lonzig zu Gellen)   12. Heinrich Moselewski   13. Gustav Kilian   14. Fritz Sakowski   15. Gustav Norkowski   16. Emil Netta   17. August Larze   18. Gustav Dudda   19. Fritz Kulikowski   20. Michael Kiewski   21. Gottlieb Leimann   22. Michael Krause   23. Fritz Radek (1935 ? Forstarbeitersiedlung)   24. Emil Kruska   25. Gustav Kruska   26. Friedrich Bux   27. Böttcher (Babantmühle)

Ergänzungsband "Die Landgemeinden des Kreises Ortelsburg" © 1971 by Kreisgemeinschaft Ortelsburg